
Schmerzmittel beim Pferd: Helfer in der Not oder nur Symptomüberdecker?
- AnimalMotionAcademy
- vor 3 Tagen
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Schmerzen sind ein Warnsignal des Körpers. Sie zeigen an, dass etwas nicht stimmt – sei es eine Entzündung, eine Verletzung oder eine chronische Erkrankung. In der Veterinärmedizin – und ganz besonders in der Pferdemedizin – spielen Schmerzmittel eine wichtige Rolle. Doch was machen diese Medikamente eigentlich genau? Und wie sinnvoll ist ihr Einsatz, wenn die Ursache der Schmerzen dadurch nicht behoben wird?
Was sind Schmerzmittel und wie wirken sie?
Schmerzmittel, oder Analgetika, sind Medikamente, die die Schmerzwahrnehmung im Körper unterdrücken. Je nach Art des Wirkstoffs geschieht das auf unterschiedliche Weise:
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Phenylbutazon oder Flunixin hemmen Enzyme (Cyclooxygenasen), die an der Produktion von Prostaglandinen beteiligt sind – Botenstoffe, die Entzündungen und Schmerzen fördern.
Opioide wie Morphin oder Butorphanol greifen direkt in das zentrale Nervensystem ein und blockieren dort die Schmerzverarbeitung.
Lokalanästhetika wie Lidocain unterbrechen die Schmerzweiterleitung an den Nervenenden.
Egal welcher Mechanismus: Das Ergebnis ist in der Regel eine deutlich verringerte Schmerzwahrnehmung. Das Tier wirkt ruhiger, entspannter – manchmal sogar wieder bewegungsfreudig. Aber hier beginnt auch das Dilemma.
Schmerzfreiheit ist nicht gleich Heilung
Besonders bei Pferden, die von Natur aus Fluchttiere sind, kann Schmerzfreiheit gefährlich trügen. Wenn ein Pferd dank Schmerzmitteln plötzlich wieder bereit ist zu laufen, heißt das nicht, dass die Verletzung oder Entzündung verschwunden ist. Im Gegenteil: Durch die unterdrückte Schmerzempfindung steigt die Gefahr, dass sich das Tier überbelastet – mit potenziell schwerwiegenden Folgen.
Ein klassisches Beispiel ist die Hufrehe: Pferde mit dieser äußerst schmerzhaften Entzündung der Huflederhaut bekommen häufig NSAR zur Linderung. Wenn sie durch die Medikamente aber zu früh wieder zu viel laufen, kann sich der Zustand dramatisch verschlechtern – im schlimmsten Fall bis hin zur vollständigen Zerstörung der Hufmechanik.
Schmerztherapie als Teil eines größeren Ganzen
Trotz dieser Risiken haben Schmerzmittel eine unverzichtbare Rolle in der tierärztlichen Behandlung. Richtig eingesetzt helfen sie dabei:
Stress und Unruhe zu reduzieren,
den Kreislauf zu stabilisieren,
das Immunsystem zu entlasten (denn chronischer Schmerz schwächt),
und vor allem: eine Basis für Heilung zu schaffen.
Gerade Pferde neigen dazu, bei starken Schmerzen das Fressen einzustellen, sich wenig zu bewegen oder in einer Schonhaltung zu verharren – was wiederum Folgeprobleme auslösen kann, z. B. Koliken oder Muskelabbau.
Deshalb gilt: Schmerzmittel sind keine Heilung, aber oft eine notwendige Unterstützung der Heilung.
Wann sind Schmerzmittel beim Pferd sinnvoll?
Ein verantwortungsvoller Einsatz berücksichtigt immer die Ursache der Schmerzen. Es geht nicht darum, Symptome zu verdecken, sondern gezielt zu lindern – immer begleitet von einer Diagnostik und einem klaren Behandlungsplan.
Typische Einsatzgebiete beim Pferd:
Koliken (vor allem spastische)
Orthopädische Erkrankungen (z. B. Arthrose, Hufrehe, Sehnenschäden)
Postoperative Schmerztherapie
Akute Verletzungen
Chronische Schmerzzustände (z. B. Rückenschmerzen)
Fazit: Schmerzmittel sind Werkzeuge – keine Lösungen
Die Gabe von Schmerzmitteln beim Pferd ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits können sie Leiden lindern und Heilung ermöglichen, andererseits bergen sie die Gefahr, Probleme zu verschleiern. Gerade in der Pferdemedizin ist es daher entscheidend, sie nicht isoliert, sondern immer im Gesamtkontext einzusetzen: mit Diagnostik, Ursachenforschung und gezielter Therapie.
Wer versteht, dass Schmerz ein Symptom und kein Feind ist, kann Schmerzmittel beim Pferd als das nutzen, was sie sind: Helfer auf dem Weg zur Heilung – nicht die Heilung selbst.
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