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Fruktan und Atemwegserkrankungen beim Pferd – Ein unterschätzter Risikofaktor bei COPD, Weideasthma und Pollenallergien

Von Sina-Isabell Schmid



Einleitung


Chronisch-entzündliche Atemwegserkrankungen wie COPD/RAO (heute meist als „Equine Asthma“ bezeichnet), Weideasthma und polleninduzierte Allergien betreffen eine wachsende Zahl von Pferden. Während Umweltfaktoren wie Staub, Schimmelpilze und Blütenpollen seit Langem im Fokus der Forschung und Therapie stehen, rückt ein anderer Einflussfaktor zunehmend ins Licht: der Fruktangehalt im Gras. Dieser kann den Verlauf chronischer Atemwegserkrankungen auf mehreren Wegen negativ beeinflussen – nicht durch direkte Inhalation, sondern über stoffwechsel- und immunologische Mechanismen.





Was ist Fruktan – und warum ist es relevant für Atemwegserkrankungen?


Fruktan ist ein wasserlösliches Reservekohlenhydrat, das von Gräsern produziert wird – insbesondere bei:


  • intensiver Sonneneinstrahlung,

  • kalten Nächten,

  • Stress (z. B. Dürre, Überweidung),

  • in der Übergangszeit (Frühjahr/Herbst).


Pferde mit Atemwegserkrankungen sind besonders oft in diesen Zeiten betroffen – was den Verdacht auf eine fruktanassoziierte Mitursache nahelegt.





Fruktan und das Immunsystem: Ein entzündlicher Zusammenhang


Fruktan wird im Dickdarm fermentiert. Bei übermäßiger Aufnahme kann dies zu einer Dysbiose, pH-Absenkung und Freisetzung entzündungsfördernder Substanzen führen (z. B. Endotoxine). Diese gelangen in den Blutkreislauf und lösen systemische Immunreaktionen aus – darunter auch unspezifische Entzündungen in anderen Organen, wie den Atemwegen.



Mögliche Auswirkungen:


  • Verstärkung bestehender Entzündungen in Lunge und Bronchialsystem,

  • verstärkte Schleimproduktion,

  • gesteigerte bronchiale Hyperreagibilität,

  • sinkende Belastbarkeit und Luftnot auch bei geringer Bewegung.



Diese Mechanismen ähneln denen, die auch bei stoffwechselbedingten Hufproblemen wie Rehe oder Podotrochlose beobachtet werden – nur dass hier die Atemwege betroffen sind.



Besonderheiten bei Weideasthma und Pollenallergien


Weideasthma und pollenassoziierte Atemwegserkrankungen werden häufig in der Zeit mit hohem Fruktangehalt im Gras beobachtet (Frühjahr, Herbst). Fruktan wirkt hier nicht allergen, sondern:


  • verstärkt bestehende Entzündungsprozesse,

  • belastet den Stoffwechsel (Leber, Darm, Immunsystem),

  • kann bei bestimmten Pferden zu einer Zunahme der bronchialen Reizschwelle führen.



Zusätzlich enthält junges, fruktanreiches Gras oft mehr Histamin, was allergische Symptome potenzieren kann.



Praxisrelevante Hinweise zur Weideführung bei atemwegserkrankten Pferden


  1. Weidezeiten kontrollieren:


    • Ideal: Weidegang am späten Nachmittag, wenn Fruktan niedriger ist.

    • Vermeide Weide bei kaltem, sonnigem Wetter (v. a. morgens).


  2. Fruktan-Ampel-Apps nutzen:


    • z. B. Happie Horse App, um das Risiko standortbezogen zu beurteilen.


  3. Weideumfang begrenzen:


    • Weidezeiten reduzieren, ggf. mit Maulkorb regulieren.

    • Alternativen: abgefressene Koppeln, „stehende Weide“ mit Heu.


  4. Ernährung insgesamt entlasten:


    • Heu wässern oder bedampfen (Staub & Schimmelreduktion).

    • Zucker- und stärkearme Ration (unterstützt das Immunsystem).

    • Leber und Darm gezielt unterstützen (z. B. mit Bitterstoffen, Mariendistel, Flohsamen).


  5. Pferde mit allergischer Komponente zusätzlich schützen:


    • Pollenfilter-Masken, Inhalation mit isotonischer Kochsalzlösung,

    • Unterstützung durch Antioxidantien (Vitamin E, Omega-3-Fettsäuren).


Fazit


Ein hoher Fruktangehalt im Gras ist nicht nur für stoffwechselkranke Pferde ein Risiko, sondern auch für solche mit chronischen Atemwegserkrankungen. Die fruktanbedingte Belastung des Immunsystems kann entzündliche Prozesse in den Atemwegen fördern und die Symptomatik deutlich verschlechtern. Weidemanagement, angepasstes Fütterungskonzept und regelmäßige Beobachtung des Gesundheitszustandes sind zentrale Bausteine einer erfolgreichen Haltung betroffener Pferde.


Hinweis für Tierärzte und Therapeuten:

Der Zusammenhang zwischen Fruktanaufnahme und respiratorischen Entzündungsprozessen sollte insbesondere bei Patienten mit saisonalen Asthma-Schüben berücksichtigt werden – auch wenn keine direkte Allergie gegen Gräser vorliegt.

 
 
 

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